Krebskranke haben mit vielen Problemen zu kämpfen. Gewichtsverlust gehört dazu, wird aber oft übersehen: Manche Patienten freuen sich sogar darüber, endlich ein paar Pfunde abzunehmen. Doch leider schrumpfen nicht die Fettpolster, sondern vor allem die Muskeln.
Viele Tumore zehren an der Substanz. Sie verbrauchen zu ihrem eigenen Gedeihen sehr viel Energie und rufen zudem Entzündungen im Körper hervor. Der veränderte Stoffwechsel führt zum Abbau von Muskeleiweißen. Hinzu kommt, dass viele Patienten nicht genügend Kalorien aufnehmen, zum Beispiel weil sie wenig Appetit verspüren, Schluckbeschwerden haben oder an Übelkeit leiden.
Auszehrung bei jedem Zweiten
Experten nennen diesen Abbauprozess Tumorkachexie. Sie sprechen davon, wenn ein Krebspatient innerhalb von drei Monaten fünf Prozent seines Körpergewichts verliert und dabei über Beschwerden wie Kraftverlust, Müdigkeit oder Appetitlosigkeit klagt. Bei etwa jedem zweiten Krebskranken kommt es zu einer Kachexie. Setzt sich der Abbau fort, stirbt der Patient an den Folgen der körperlichen Auszehrung. Dieses Schicksal ereilt rund jeden fünften Krebskranken.
Ernährungstherapien wirken diesem zerstörerischen Prozess entgegen – auch wenn sie ihn längst nicht immer umkehren können. Patienten, bei denen eine Heilung möglich ist, werden so stabilisiert, dass sie Medikamente, Bestrahlungen und Operationen besser vertragen.
Dabei kommt es vor allem darauf an, dass der Patient ausreichend Kalorien aufnimmt – wenn nötig, über einen Venenzugang direkt ins Blut. Viele Erkrankte denken, jetzt ist das Leben zu Ende, wenn sie über den Mund keine Nahrung mehr aufnehmen können. Doch das stimmt nicht, sagen Experten. Denn oft essen Menschen während ihrer Krebstherapien über Tage bis Wochen hinweg kaum etwas, beispielsweise weil sie Entzündungen im Mund, Durchfall oder andere Beschwerden haben. Dann kann es vorübergehend nötig sein, Nahrung über das Blut zuzuführen. Künstliche Ernährung enthält immer viel Fett und Eiweiß. Vor allem Letzteres fördert den Muskelaufbau. Um einen möglichst großen Effekt zu erzielen, sollte die Ernährungstherapie mit einem Bewegungsprogramm kombiniert werden.
Mängel in der Versorgung
Bei der Enährungstherapie gibt es in Deutschland große Mängel. Das belegt etwa eine Studie aus dem Jahr 2006. Darin analysierten Mediziner der Universitätsklinik Charité in Berlin die Patientendaten von 13 Krankenhäusern. Ergebnis: 38 Prozent der Tumorpatienten waren mangelernährt. Eine Situation, an der sich bislang kaum etwas gebessert hat, sagen Experten.
Ärzte kritisieren, dass sich die meisten Onkologen zu sehr auf die Krebsbekämpfung beschränken. Hinzu kommt, dass bei Weitem nicht jede Tumorklinik Ernährungsmediziner oder Diätassistenten beschäftigt.
Außerdem mangelt es an Studien, die den Nutzen von unterstützenden Ernährungstherapien beweisen. So ist zwar unbestritten, dass diese die Lebensqualität der Patienten steigern. Doch es gibt keine großen Vergleichsstudien, die zeigen, dass Tumorpatienten deshalb später sterben, länger tumorfrei bleiben oder eine höhere Heilungschance haben.
Solche Ergebnisse sind bei neuen Wirkstoffen die Voraussetzung, dass sie als Medikamente zugelassen werden. Doch Krebspatienten können selbst etwas für ihren Ernährungszustand tun. Am wichtigsten ist es, regelmäßig sein Gewicht zu kontrollieren. Angehörige können helfen, indem sie darauf achten, dass der Kranke genug isst und trinkt. Wer kaum Appetit hat, sollte trotzdem versuchen, zu bestimmten Zeiten zu essen.
Den Arzt um Hilfe bitten
Eine vollwertige, eiweißreiche Kost enthält in der Regel genug Vitamine und Mineralstoffe. Ob Präparate zur Nahrungsergänzung sinnvoll sind, sollte man seinen Arzt fragen. Wer an Gewicht verliert, muss sich auf jeden Fall möglichst bald an seinen Hausarzt oder Onkologen wenden und ihn um Hilfe bitten. Dieser überprüft den Ernährungszustand und verschreibt, wenn nötig, Trinknahrung oder eine andere Form von künstlicher Ernährung.
Sogenannte Krebsdiäten hingegen nutzen nicht, sondern verschlimmern meist sogar den Ernährungszustand. Viele zielen darauf ab, den Tumor auszuhungern, was aber nicht funktioniert. Es gibt keinerlei Daten, dass diese Diäten wirken.
Sie werden auch nicht erforscht, abgesehen von der sogenannten ketogenen Diät. Doch Experten raten auch von dieser extrem fettreichen und kohlenhydratarmen Kost ab. Denn ihr Nutzen ist fraglich, und kaum jemand schafft es, sie konsequent durchzuhalten.
08.04.2015, Bildnachweis: Thinkstock/istock
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